Ob wuseliger Versammlungsort oder großzügiger Freiraum, ob repräsentative »gute Stube« oder betriebsamer Markt – Plätze sind gleichermaßen öffentliche Treffpunkte und Visitenkarten ihrer Umgebung. Auch unser Wedding hat ganz vielfältige Plätze zu bieten. An manchen steppt sprichwörtlich der Bär, an anderen sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht.
Im Rahmen dieser kleinen Serie werden wir einen Platz nach dem anderen vorstellen. Wetten, dass auch Sie noch nicht alle davon kennen?
Brüsseler Kiez*, Leopoldkiez… Der Weddinger identifiziert sich nicht nur mit seinem Bezirk, der seit der Bezirksfusion 2001 zu einem bloßen Ortsteil des Großbezirks Mitte degradiert wurde ‒ was den Weddinger freilich überhaupt nicht schert. Darüber hinaus dient besonders der Kiez als Bezugspunkt, und innerhalb des Kiezes ein Platz für Spiel, Erholung und Begegnung.
Genauso ist es im Sprengelkiez. Eingerahmt wird er von der Müller-, der Luxemburger und der Torfstraße sowie vom Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal und der Ringbahntrasse. Den Pekinger Platz hatten wir neulich schon besucht, heute geht‘s aber um den Sparrplatz. Der ist im Gegensatz zu anderen Plätzen nicht als Restfläche zwischen den Wohnblöcken und Straßenschluchten übriggeblieben, sondern war von Anfang an als Stadtplatz vorgesehen. Dem Stadtplaner Hobrecht schwebte ein Platz im Stile der Londoner Squares, großräumiger begrünter und baumgesäumter Plätze, vor. Die großzügige Konzeption sah eine funktionale Zweiteilung vor: die östliche Langseite als erweiterter Straßenraum für die Händler und das Kleingewerbe auf der bebauten Straßenseite, die westliche als Rückzugs- und Ruhebereich.
1872 begann der Bau der heutigen Ringbahn, keine 30 Meter südlich des geplanten Platzes. Dies bewirkte mehrerlei. Einerseits war der Platz nun vom bereits bebauten südlichen Wedding (heutige Fenn- und Sellerstraße) abgeschnitten. Andererseits begünstigte die bauliche Trennung auch eine funktionale: südlich der Trasse, günstig an Eisenbahn und Wasserstraßen angeschlossen, entwickelte sich Industrie, ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Wedding ‒ nördlich hingegen ein Gebiet mit weitgehender Wohn- und nur vereinzelter gewerblicher Nutzung.
1892 erhielt der Sparrplatz seinen heutigen Namen nach dem ersten brandenburgischen Feldmarschall Otto Christoph Sparr. Zu jener Zeit entstand innerhalb weniger Jahre ein Großteil der umgebenden 5- und 6-geschossigen Bauten, der Platz wurde deutlich schmaler. Tatsächlich ist er heute derart länglich (etwa fünfmal so lang wie breit), dass er weder der Länge noch der Breite nach als ein Platz wahrnehmbar ist, sondern als eine Folge von Plätzen und Bereichen mit verschiedenen Funktionen.
Seit der Fertigstellung des Platzes 1909 beobachtet man ein zeitlos-aktuelles Phänomen: die Presse berichtet und erbost sich über spielende Kinder, die Rasen und Buschwerk kaputtmachten. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, waren es nicht nur die wilden Steppkes, die für Ärger sorgten. Auch die aus Kostenersparnis angelegten Sandflächen sorgten im Sommer bei offenem Fenster für staubiges Ungemach. Außerdem wurde ein Anwohner aktenkundig wegen seiner Hühner, die auf der Suche nach Nahrung hemmungslos Pflänzchen wegnaschten ‒ kein Wunder, dass heutige Mietverträge die Haustierhaltung in vielen Fällen verbieten.
Immerhin ‒ die Stadtplaner erkannten den Änderungsbedarf und passten im Laufe der Jahrzehnte die Platzgestaltung und -ausstattung mehrmals an: mal mit Buddelkiste für die ganz Lütten, dafür ohne Bolzplatz für die Rabauken; mal mit Planschbecken, um auch »diesen Kindern in den Sommermonaten eine wenn auch beschränkte Erholungsart zu geben« (Stadtplaner Rudolf Germer, 1931).
Heute finden wir im nördlichsten Bereich eine begrünte Durchwegung zwischen Sprengel- , Sparr- und Triftstraße. Südlich davon belegt ein eingehegter, großzügiger Sandspielplatz mit vielfältigen Klettermöglichkeiten knapp zwei Fünftel des Sparrplatzes. Der Spielplatz wird (optisch und akustisch gut wahrnehmbar) dankbar angenommen. Dann folgt in der Platzmitte ein Ruhebereich mit Pflaster- und Sandflächen. Dort kann man sich an den Tischtennisplatten die Bälle um die Ohren hauen, beim Boccia ‘ne ruhige Kugel schieben oder entspannt auf den Sitzbänken chillen.
Der Sparrplatz findet seinen südlichen Abschluss in einer eingezäunten, abgesenkten Spielfläche zum Fußballspielen.
*Zum Schluss ein kurzer Nachtrag für Sprachinteressierte: die Herkunft des Wortes »Kiez« ist insofern unklar, als dass die Sprachforscher es in zwei ganz unterschiedliche Richtungen zurückverfolgen zu können meinen. Einig ist sich die Forschung, dass es seit dem 13. Jahrhundert im nord- und nordostdeutschen Raum in der Bedeutung von »Ort, an dem Fischer wohnen« verwendet wird. Der einen Theorie zufolge geht diese Verwendung auf das slawische Wort für Hütte zurück. Die andere Theorie führt den Gebrauch auf das deutsche Wort Kieze oder Kitze zurück, das einen Korb bezeichnete.