Ob wuseliger Versammlungsort oder großzügiger Freiraum, ob repräsentative »gute Stube« oder betriebsamer Markt – Plätze sind gleichermaßen öffentliche Treffpunkte und Visitenkarten ihrer Umgebung. Auch unser Wedding hat ganz vielfältige Plätze zu bieten. An manchen steppt sprichwörtlich der Bär, an anderen sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht.
Im Rahmen dieser kleinen Serie werden wir einen Platz nach dem anderen vorstellen. Wetten, dass auch Sie noch nicht alle davon kennen?
Heute besuchen wir einen Ort, an dem es mehr zu entdecken gibt, als man auf den ersten Blick sieht, und von dem die meisten wohl gar nicht wissen, dass er einen Namen hat. Wir verlassen den Bahnhof Gesundbrunnen Richtung Norden, überqueren die Behm- und die Badstraße. Am Bunkerzugang vorbei einige Stufen hinauf, und wir stehen auf einer erhöhten Grünanlage, dem Blochplatz. Von der Hoch- (ca. 160 Meter) und der Badstraße (ca. 80 Meter) annähernd rechtwinklig eingefasst, wird er durch die schräg verlaufende Böttgerstraße zu einem dreieckähnlichen Areal.
Die Grünfläche besteht zu weiten Teilen aus baumgesäumtem Rasen, im Inneren finden sich weitere vereinzelte Baumgruppen. Am Rand zur Hochstraße hin ist ein kleiner Spielplatz angelegt, in den Randbereichen zur Badstraße einige Sitzgruppen und eine Tischtennisplatte. Insgesamt macht der Platz einen zwar gepflegten, aber alles in allem inhaltsleeren und nicht sehr einladenden Eindruck, besonders im Vergleich zu anderen Plätzen im Gesundbrunnen und Wedding.
Benannt ist der Blochplatz nach einer Persönlichkeit. Damit befindet er sich in guter Gesellschaft, in der näheren Umgebung sind unter anderem auch die Böttger-, Bastian-, Bellermann-, Ramler- und Gleimstraße nach verdienten Forschern, Dichtern, Wissenschaftlern und Erfindern benannt.
Marcus Élieser Bloch wurde 1723 im fränkischen Ansbach in eine arme jüdische Familie hineingeboren. Dank einer Anstellung als Hauslehrer bei einem Hamburger Wundarzt erhielt er die Möglichkeit, sich weiterzubilden ‒ insbesondere in der Medizin.
Er zog nach Berlin um, studierte hier Medizin, promovierte in Frankfurt an der Oder und ließ sich schließlich in unserer Stadt als Arzt nieder. Hier schloss er auch Kontakte zu anderen jüdischen Intellektuellen, die sich zu jener Zeit für einen aufgeklärten Umgang mit ihrer Religion sowie für eine gesellschaftlich-rechtliche Gleichstellung der Juden in den deutschen Ländern aussprachen.
Bloch schrieb zunächst zu medizinischen Themen, später entdeckte er seine Liebe zu Fischen. Ab 1782, inzwischen Mitglied zweier wissenschaftlicher Akademien, veröffentlichte er sein Lebenswerk, die zwölfbändige Allgemeine Naturgeschichte der Fische. Darin beschrieb er die in Deutschland (Band I bis III) sowie weltweit (Band IV ff.) vorkommenden Fischarten. Hierfür nutzte er neben eigenem Material auch solches befreundeter Forscher. Aufgrund der einzigartigen Darstellung hatte das Werk lange Zeit wissenschaftlichen Referenzcharakter für die Ichthyologie, die Lehre von den Fischen. Noch aus heutiger Sicht sind die farbigen, detaillierten Kupferstichtafeln von hohem künstlerischem Wert.
Das Verfassen und noch mehr das Publizieren solcher Großprojekte ist kostspielig ‒ damals wie heute. Bloch griff zu einem altbewährten und noch heute beliebten Trick: er suchte sich vermögende Förderer. Seine Gegenleistung bestand darin, den Kupferstich der jeweiligen Fischart dem Sponsor zu widmen und ihn dort zu erwähnen.
Bloch starb 1799 im böhmischen Karlsbad, der Blochplatz trägt seit 1910 seinen Namen.
Unterirdisch ist das Gebiet sogar noch interessanter. Unter der Brunnenstraße liegt der erste U-Bahn-Tunnel unserer Stadt. Vor 1900 schon erkannte man in Berlin die Notwendigkeit technischer Alternativen zum Straßenverkehr. London hatte es vorgemacht, und die unterirdischen Eisenbahnlinien erwiesen sich als sinnvolle, häufig sogar notwendige Ergänzung zu den herkömmlichen Verkehrsmitteln.
So errichtete die AEG hier also ab 1895 einen Tunnel mittels der in London erprobten Röhrentechnik. Er verband – über den Beweis der Machbarkeit im Berliner Boden hinaus – zwei Industriestandorte der Firma: seit Mai 1897 beförderten elektrisch angetriebene Züge Personal und Material ohne Beeinträchtigung des oberirdischen Treibens hin und her. Nach wechselhafter Geschichte ist dieser Tunnel in den vergangenen Jahren wieder freigelegt und im Rahmen der Berliner Unterwelten e. V. für Besucher zugänglich gemacht worden.
Direkt unter dem Ostende des Blochplatzes liegt schließlich eine Luftschutzanlage aus dem Zweiten Weltkrieg mit gut 1300 Schutzplätzen, die auch während des Kalten Krieges angesichts der atomaren Bedrohung gewartet und genutzt wurde. Sie ist Teil eines unterirdischen Bunkersystems, das auch den U-Bahnhof Gesundbrunnen umfasst. In der seit 2010 unter Denkmalschutz stehenden Anlage finden ebenfalls geführte Besichtigungen statt.
Insgesamt ist der Blochplatz also ein Ort zum oberirdischen Entspannen und Erholen und zum unterirdischen Forschen und Entdecken.