
Ob wuseliger Versammlungsort oder großzügiger Freiraum, ob repräsentative »gute Stube« oder betriebsamer Markt – Plätze sind gleichermaßen öffentliche Treffpunkte und Visitenkarten ihrer Umgebung. Auch unser Wedding hat ganz vielfältige Plätze zu bieten. An manchen steppt sprichwörtlich der Bär, an anderen sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht.
Im Rahmen dieser kleinen Serie werden wir einen Platz nach dem anderen vorstellen. Wetten, dass auch Sie noch nicht alle davon kennen?
Infolge von Industrialisierung und dem Zuzug Hunderttausender platzte Berlin im 19. Jahrhundert aus allen Nähten. Die Stadt musste über die seinerzeit begrenzende Akzisemauer hinaus erweitert werden. Der Hobrechtplan teilte unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Vororte, Gutsanlagen, Fluren, Straßenverbindungen, Wasserwege und der Topographie das zu bebauende Gebiet ein. Praktischerweise geschah dies häufig im Rechteck-Straßenraster, aber manchmal blieben wegen der Gegebenheiten auch Restflächen übrig – nutzlos für eine geschlossene Bebauung.
Heute besuchen wir den Pekinger Platz, der nicht nur in städtebaulicher Hinsicht so eine Rest-Fläche ist. Er liegt am Nordufer des Berlin-Spandauer Schifffahrtskanals im annähernd dreieckigen Zwickel zwischen der Torf-, Kiautschou- und Samoastraße.

Die letzten zwei offenbaren mit ihren exotischen Namen das Benennungsmotiv hier in der Gegend. Das im Vergleich zu anderen Nationen erst spät geeinte Deutsche Reich sprang als Nachzügler auf den Zug der kolonialistisch-imperialistischen Unternehmungen auf und sicherte sich ab den 1880er Jahren – lange nach Großbritannien, Frankreich, Spanien, Portugal, den Niederlanden und Russland – einen »Platz an der Sonne«. Die Stadtväter des frühen 20. Jahrhunderts verewigten im Südwesten Weddings die deutschen Besitzungen in der Südsee (Samoa) und in Ostasien (Kiautschou, auf der chinesischen Shandong-Halbinsel).

Der Pekinger Platz erinnert an die Besetzung der chinesischen Hauptstadt im Zuge des sogenannten Boxeraufstands. Im Laufe des Jahres 1900 hatte die chinesische »Bewegung der Verbände für Gerechtigkeit und Harmonie« den Kampf gegen die imperialistischen Eindringlinge aus Europa, den USA und Japan aufgenommen. Die Verbände, die der Westen wegen ihrer traditionellen Kampfkunst als »Boxer« bezeichnete, wurden letztlich durch Truppen der Großmächte unter Führung des deutschen Generalfeldmarschalls Alfred Graf von Waldersee niedergeschlagen.

Heute ist der Platz verkehrsberuhigt. Tagsüber spielen die Kinder auf dem Spielplatz, die Jugendlichen verbessern ihre Skills auf der Skateanlage. Ein Restaurant und eine Bar laden zum Verweilen ein – in den wärmeren Jahreszeiten auch open air auf dem Platz selbst. Die Uferlage tut ihr Übriges. Mit einer typischen Männerbedürfnisanstalt, einem »Café Achteck«, hat der Platz sogar ein Denkmal vorzuweisen.
