Klassizismus in Berlin – Johann Gottfried Schadow

Detailansicht der Marmor-Skulptur der Prinzessinnengruppe (Luise und Friederike von Preußen) des Bildhauers Johann Gottfried Schadow, entstanden 1795 bis 1797, Alte Nationalgalerie, Museumsinsel Berlin

Erstmalig zur Akademieausstellung 1795 in Berlin konnte die Prinzessinnengruppe als das heute bekannteste Werk des Bildhauers Johann Gottfried Schadow der Öffentlichkeit gezeigt werden – zunächst aus Gipsmaterial. Die Skulptur wurde mit Wohlwollen und Bewunderung vom Publikum aufgenommen und war das Gesprächsthema der Stadt.

Marmor-Skulptur der Prinzessinnengruppe (Luise und Friederike von Preußen) des Bildhauers Johann Gottfried Schadow, entstanden 1795 bis 1797, Alte Nationalgalerie, Museumsinsel Berlin

Das lebensgroße Marmor-Doppelstandbild der Kronprinzessinnen Luise und ihrer Schwester Friederike wurde 1797 zur Akademieausstellung in Berlin präsentiert.

Der Gemahl der Kronprinzessin Luise, der spätere preußische König Friedrich Wilhelm III., lehnte die Prinzessinnengruppe als zu unrepräsentativ ab. So geriet für 90 Jahre Schadows frühklassizistisches Werk in Vergessenheit.

Johann Gottfried Schadow wurde am 20. Mai 1764 in Berlin geboren und verstarb hier am 27. Januar 1850. Er gilt als bedeutender Bildhauer des Klassizismus und als Begründer der Berliner Bildhauerschule.

Gerade der Frühklassizismus versteht sich als Gegenmodell zum Barock mit einer Vereinfachung der Formen. Der Klassizismus besinnt sich in Anlehnung an klassisch-antike Vorbilder, ausgelöst durch archäologische Ausgrabungen, auf eine geradlinige, reduzierte und klare Formensprache.

Johann Gottfried Schadow, Grabmal des Grafen Friedrich Wilhelm von Arnim-Boitzenburg, entstanden 1801 – 1803, Friedrichswerdersche Kirche in Berlin

Schadow besucht das Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster. In dieser Zeit ermöglicht ihm sein Vater, ein Schneidermeister, ersten Zeichenunterricht bei einem Mitarbeiter der Werkstatt des Hofbildhauers Jean-Pierre-Antoine Tassaert.

Begeistert von Schadows Talent erteilt dessen Ehefrau, Marie-Edmée Tassaert – eine erfahrene Miniaturmalerin, dem 13-jährigen Schadow weiteren Zeichenunterricht. In dieser Zeit entscheidet er sich, Bildhauer zu werden.

1778 beginnt Schadow eine 2-jährige Ausbildung an der Berliner Akademie der Künste. Damit wird er offiziell Schüler des königlichen Hofbildhauers Jean-Pierre-Antoine Tassaert (1727 – 1788). In den folgenden Jahren arbeitet Schadow als fester Mitarbeiter in dessen Werkstatt.

Mit 21 Jahren nutzt Schadow, frisch verheiratet, zusammen mit seiner vermögenden Frau, die Möglichkeit für einen längeren Aufenthalt in Rom.

Er studiert die Kunstschätze Roms und erkundet die Stadt ausgiebig. Schadow spricht fließend französisch und italienisch. Es entstehen viele Kontakte und ein reger Austausch mit anderen Künstlern in der Stadt. Schadow arbeitet in Rom selbst künstlerisch und erringt den 3. Preis des Kunstwettbewerbs „Concorso Balestra“.

1787 kehrt das Ehepaar mit Sohn Ridolfo nach Berlin zurück. Schadow beginnt als Ausbilder in der Königlichen Porzellanmanufaktur. Er unterrichtet die Modelleure in Zeichnen und Gestaltung.

Der Leiter der Manufaktur ist Friedrich Anton Freiherr von Heynitz, Staatsminister und seit 1786 Kurator der Akademie der Künste unter dem neuen König Friedrich Wilhelm II.

Heynitz arbeitet intensiv an einer systematischen Verbesserung aller Arbeitsbereiche der Akademie. Er sucht vorzügliche Künstler, kompetente und ambitionierte Lehrkräfte mit neuen Ideen.

Er initiiert 1788 Schadows Berufung zum ordentlichen Mitglied der Akademie der Künste. Schadow übernimmt die künstlerische Ausbildung der Bildhauer. Zusätzlich wird er von Heynitz als Direktor der Skulpturen am Oberhofbauamt eingesetzt.

Schadow Werdegang wird ihn zu immensem künstlerischen Schaffen, Ruhm und finanziellem Erfolg führen. Bereits sein erstes großes Kunstwerk, das Grabmal für den Grafen Alexander von der Mark, löst große Bewunderung und besondere Anerkennung aus. Das Kunstwerk ist heute in der Alten Nationalgalerie ausgestellt.

Langhans Carl Gotthard (1732-1808), Brandenburger Tor, Berlin: Perspektivische Ansicht. Druck auf Papier, 45,8 x 56,8 cm. Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin Inv. Nr. 5961.

Die Aufträge des Königs machen eine Zusammenarbeit der Werkstätten des Oberbauhofmeisters und Architekten Carl Gotthard Langhans (1732 – 1808) mit dem Oberhofbildhauer Johann Gottfried Schadow erforderlich.

1793 wird das Brandenburger Tor von Langhans fertiggestellt. Heute ist es ein weltbekanntes Symbol der Stadt Berlin mit deutlichem Bezug zur Akropolis in Athen.

Frontalaufnahme der “Quadriga”, geschaffen 1793 von Johann Gottfried Schadow (1764 – 1850), auf dem Brandenburger Tor (erbaut 1789 – 1793), Pariser Platz, Berlin

Im gleichen Jahr folgt Schadows Quadriga. Die bronzene Statue der römischen Siegesgöttin Victoria im antiken Streitwagen mit Vierergespann soll den Triumph Preußens und die Friedensintention des Königs Friedrich Wilhelm II. repräsentieren.

Im Basisrelief des Tores verkörpern griechische Göttinnen und Musen verschiedene Künste und die militärische Kraft und Tapferkeit Preußens in Form der von Herkules bewältigten Aufgaben.

Seitenaufnahme der “Quadriga”, geschaffen 1793 von Johann Gottfried Schadow (1764 – 1850), auf dem Brandenburger Tor (erbaut 1789 – 1793), Pariser Platz, Berlin

Die 26 Meter lange und 11,5 Meter breite Herkulesbrücke, eine 1791 erbaute Sandsteingewölbebrücke, führte über den Königsgraben zum Schloss Monbijou. Der Skulpturenschmuck der Brücke entstand in der Zusammenarbeit von Schadow mit dem Bildhauer Conrad Nicolas Boy (1753 – 1793), der die Entwürfe von Schadow ausführte.

Langhans Carl Gotthard (1732-1808), Herkules-Brücke mit den Figuren von Schadow und von Boy, Berlin: Ansicht des rechten Bogens 1:30. Druck auf Papier, 48 x 64 cm. Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin Inv. Nr. 5964.

Auf den jeweiligen Mittelpfeilern stehen zwei überlebensgroße Skulpturen mit Motiven der Herkulessage: der siegreiche Herkules, Symbol für die Macht des Staates, vertreibt die Barbarei im Kampf mit einem Kentauren und im Kampf mit dem als unbesiegbar geltenden nemeischen Löwen.

Sandsteinskulptur Herkules im Kampf mit dem Nemëischen Löwen, 1787 von Gottfried Schadow entworfen und 1791 von Conrad Nicolas Boy ausgeführt

Letztere Skulptur ist bis heute erhalten und im Köllnischen Park am Märkischen Museum aufgestellt.

Die Mohrenkolonnaden mit dem von Tassaert und Schadow gestalteten mythologischen Figurenschmuck antiker Götter sind noch am Originalstandort in Berlin Mitte zu finden.

Schadow-Fries an der Alten Münze in Berlin Mitte

1800 gestaltet Schadow einen Münzfries nach dem Entwurf von Friedrich Gilly (1772 – 1800) am Erweiterungsgebäude der Alten Münze am Werderschen Markt als Schmuck für die Außenwände.

Eine Kopie des 36 Meter langen und 1,66 Meter hohen Münzfrieses befindet sich an dem Gebäude Mühlendamm 3 in Berlin Mitte.

Der Fries stellt die Auffindung und Gewinnung der verborgenen Metallschätze der Natur mit göttlicher Unterstützung von Rheas und Prometheus, Vorgänge des Schmelzens, Streckens und Prägens zur Herstellung von Münzen dar.

Die klassizistische Neue Wache Unter den Linden 4, erbaut von 1816 bis 1818 durch Karl Friedrich Schinkel als Wache für das gegenüberliegende Königliche Palais.

In Zusammenarbeit mit Schinkel modelliert Schadow 1818 die freiplastischen Viktorien und fertigt sie im Bleigussverfahren für das Viktorienrelief an der Neuen Wache in Berlin. Aus finanziellen Gründen konnte das vollständige Viktorienrelief aber erst 1842 bis 1846 von August Kiss realisiert werden. Das Relief wurde als mehrteiliger Zinkguss gefertigt und mit einem sandsteinimitierenden Anstrich – einer sogenannten „Sandelung“ – versehen, um wie Sandstein zu wirken.

Zur Neuen Wache (1816 – 1818) gehört auch das bekannte Viktorien­relief von Johann Gottfried Schadow.

Schadow nimmt regen Anteil am Gesellschaftleben in Berlin, besucht regelmäßig Literatur- und Kunstzirkel, ist ein begeisterter Theaterbesucher und Laienschauspieler. Man kennt ihn als großen Schach- und Musikliebhaber.

König und Adel schätzen seine Kunstfertigkeit. Auch vom vermögenden Bürgertum erhält Schadow viele Aufträge für Porträtbüsten und Sepulkralskulpturen für Begräbnisstätten.

1792 unternimmt er Studienreisen nach Stockholm, Kopenhagen und St. Petersburg, um moderne Metallgusstechniken zu studieren.

1805 erfolgt der Einzug der Familie Schadow in die Kleine Wallstraße 10 – 11. 1836 wird die Straße in Schadowstraße umbenannt.

Schadow-Haus in der Schadowstraße in Berlin Mitte

Mit der französischen Besatzung Berlins von 1806 müssen die Berliner Kriegssteuern an die Franzosen zahlen. Zusätzlich ist Schadows Familie auch von erzwungener Einquartierung und Versorgung französischer Soldaten im eigenen Haus betroffen.

Die Quadriga wird nach Frankreich entführt und kann erst durch die Einnahme von Paris 1814 und dem persönlichen Einsatz von General Blücher zurückerlangt werden.

Glücklicherweise erhält er von 1807 bis 1811 einen großen Auftrag vom bayrischen Kronprinzen Ludwig über 11 Büsten bedeutender Deutscher für die Walhalla bei Regensburg, darunter Kant, Kopernikus und Leibniz.

Nach seiner Ernennung 1816 zum Direktor der Akademie der Künste trägt er die Verantwortung für die Organisation der Akademieausstellungen, Kunstankäufe und wird oft mit der Erstellung von Gutachten beauftragt.

Im persönlichen Dialog mit Johann Wolfgang Goethe entsteht in Schadows Bildhauer-Werkstatt die Skulptur des 1819 in Rostock aufgestellten Blücher-Denkmals. Blüchers Kopf wird von seinem wichtigsten Schüler Christian Daniel Rauch (1777 – 1857) entworfen.

1841 gehört Schadow zu den Mitbegründern des Berlinischen Künstler-Vereins, der inzwischen zum Verein Berliner Künstler umbenannt wurde. Im Laufe der Jahre wird Schadow Mitglied der Kunstakademien von Stockholm, Wien, Brüssel, München, Dresden und Kassel.

Frontalansicht (Detail) der Luther-Skulptur, eine Arbeit von Ernst Waegener (1854 – 1921) aus dem Jahr 1909 nach dem Vorbild des bronzenen Lutherstandbildes von Johann Gottfried Schadow in Wittenberg aus dem Jahre 1821, Dorotheenstädtischen Friedhof, Chausseestraße, Berlin

Eine seiner letzten bedeutenden Skulpturen ist das Luther-Denkmal in Wittenberg (1821).

Seitenansicht (Detail) der Luther-Skulptur, eine Arbeit von Ernst Waegener (1854 – 1921) aus dem Jahr 1909 nach dem Vorbild des bronzenen Lutherstandbildes von Johann Gottfried Schadow in Wittenberg aus dem Jahre 1821, Dorotheenstädtischen Friedhof, Chausseestraße, Berlin

1827/28 werden Schadows Lithographien im Buch „Berliner Witze und Anecdoten“ veröffentlicht. In seinem Leben schuf Schadow mehr als 2200 Radierungen, Lithographien und Karikaturen.

Noch zu seinen Lebzeiten werden 1849 Schadows Lebenserinnerungen unter dem Titel „Kunst-Werke und Kunst-Ansichten“ in Berlin herausgegeben.

Statuette auf der Grabstele des Begründers der Berliner Bildhauerschule Johann Gottfried Schadow von 1851. Diese wurde durch seinen Schüler Johann Heinrich Daniel Kaehler (1804 – 1878) geschaffen und von Schadow für seine Grabstätte ausgesucht, Dorotheenstädtischen Friedhof, Chausseestraße, Berlin

1850 wird Johann Gottfried Schadow auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof vor dem Oranienburger Tor bestattet.

Metalltafel an der Grabstele des Begründers der Berliner Bildhauerschule Johann Gottfried Schadow.

Die Grabmal-Skulptur aus schwarzer Bronze von seinem Schüler Johann Heinrich Daniel Kaehler wird mit Schadows Einverständnis verwendet.

Statuette auf der Grabstele des Begründers der Berliner Bildhauerschule Johann Gottfried Schadow von 1851. Diese wurde durch seinen Schüler Johann Heinrich Daniel Kaehler (1804 – 1878) geschaffen und von Schadow für seine Grabstätte ausgesucht, Dorotheenstädtischen Friedhof, Chausseestraße, Berlin

Am Trauerzug nimmt auch der kunstinteressierte preußische König Friedrich Wilhelm IV. teil.